Aktuelle Trends auf dem M&A-Markt für Maschinen- und Anlagenbau sowie industrielle Fertigung

Dr. Florian von Alten, Leiter der Sektorgruppe Maschinen- und Anlagenbau von Oaklins International, im Interview mit dem FINANCE Magazin

Das FINANCE Magazin ist ein führendes, von der F.A.Z.-Verlagsgruppe zwei-monatlich erscheinendes Fachmagazin rund um die Themen Finance, M&A und Kapitalmarkt. Frau Sabine Reifenberger, Chef vom Dienst beim FINANCE Magazin, interviewte im Januar 2021 Dr. Florian von Alten, Vorstand der Oaklins Angermann AG Hamburg, zu aktuellen Trends auf dem M&A-Markt für Unternehmen im Bereich Maschinen- und Anlagenbau und industrielle Fertigung.

Dr. von Alten hat sich seit nunmehr 27 Jahren einen Namen als professioneller M&A-Berater gemacht und konnte in dieser Zeit über 110 Transaktionen abschließen. Mit den 850 Oaklins-Transaktionsexperten in weltweit 45 Ländern blickt und agiert er auch über Landesgrenzen hinweg und gibt uns nachfolgend seine Einschätzung zum M&A-Geschehen in diesem Branchensegment mitten in der Pandemie.

S. Reifenberger: Wie schätzen Sie die Branche Maschinen- und Anlagenbau momentan ein, als wie nachhaltig betrachten Sie das aktuelle Ertragsniveau und die momentan üblichen Unternehmensbewertungen?

F. von Alten: Das reale Produktionsvolumen im Maschinen- und Anlagenbau ist vor allem Corona-bedingt im Jahr 2020 um 14% gesunken, nicht ganz so stark wie nach der Lehman-Finanzkrise 2008/2009, aber dennoch signifikant. Dabei fällt jedoch auf, dass sich der Auftragseingang und die Umsätze im 3. Quartal 2020 – nach dem 1. Lockdown – erfreulicherweise sehr schnell wieder erholt haben, bevor die Wachstumsimpulse im 4. Quartal aufgrund der steigenden Corona-Fallzahlen wieder an Kraft verloren haben. Für 2021 prognostizieren die Experten vom VDMA ein Umsatzwachstum von ca. 4% im Maschinen- und Anlagenbau. Unterstützt wird diese Prognose von den Erwartungen an den Corona-Impfstoff, den inzwischen erfolgten Regierungswechsel in den USA und damit verbunden die Hoffnung auf eine Wiederbelebung des Welthandels, den EU Recovery-Funds, die Investitionspläne im Zusammenhang mit dem Green Deal und das positive Wachstum in China. Wenn also der 2. Lockdown nicht zu lange dauert, ist davon auszugehen, dass aufgrund dieser Rahmenbedingungen – trotz der deutlich gestiegenen Staatsverschuldung – das industrielle Wachstum zügig wieder anspringen wird. Bei gleichbleibenden Bewertungsmultiples liegen die realisierten Unternehmenswerte aktuell aufgrund der Marktverunsicherung leicht unter dem Niveau von 2019. Innerhalb der Maschinen- und Anlagenbranche konnten sich die Bewertungsmultiples im Bereich Automatisierung, Digitalisierung, Robotik und Umwelttechnik eher stabil halten, während beispielsweise klassische Maschinenbauer, die ausschließlich in den Automobilsektor (Verbrennungsmotorbau) liefern, niedrigere Bewertungsmultiples realisieren mussten.

 

S. Reifenberger: Wie haben sich im Maschinenbau aus Ihrer Sicht die Bewertungsmultiplikatoren in den vergangenen drei Jahren verändert? In welche Richtung geht der Trend?

F. von Alten: Mit Ausnahme der Segmente Automatisierung (auch 3D Druck Anlagen), Digitalisierung, Robotik, Sensorik und Umwelttechnik sind die EBITDA Multiples für den klassischen Maschinenbau in den vergangenen 3 Jahren um 1 bis 1,5 x EBITDA zurückgegangen. Der Peak lag zwischen dem 4. Quartal 2018 und dem 2. Quartal 2019.

 

S. Reifenberger: Wie ist die momentane Deal-Aktivität in diesem Bereich?

F. von Alten: Gemäß unserem Oaklins M&A-Marktbericht 2020 gab es bis zum 11.12.2020 insgesamt 178 Transaktionen im Sektor Industrial Machinery & Components mit deutscher Beteiligung. Im Jahr 2019 gab es 115 Transaktionen mehr, sodass es zu einem Rückgang von 39% kam. Über alle Branchen hinweg gab es nur einen Einbruch um 19% (von 2.288 auf 1.861 gemeldete Transaktionen). Somit kam es zu einem überdurchschnittlichen Einbruch im Vergleich zu anderen Branchen in 2020. Unternehmen im Bereich Maschinen- und Anlagenbau waren nicht nur unmittelbar vom Lockown im Frühjahr 2020 betroffen, sondern auch von unterbrochenen Lieferketten und nicht ausgelasteten Kapazitäten bei ihren Abnehmern. Da hat der Appetit bei einigen Marktteilnehmern vorübergehend nachgelassen. Deutsche Unternehmen waren bei Zukäufen noch zurückhaltender als ihre ausländischen Wettbewerber.

 

S. Reifenberger: Welches sind aus Ihrer Sicht im Moment die wesentlichen Deal-Treiber in der Branche?

F. von Alten: M&A-Transaktionen im Maschinen- und Anlagenbau werden grundsätzlich von der Internationalisierung und Marktkonsolidierung angetrieben. Von besonderer Bedeutung sind jedoch die Themen Digitalisierung, Automatisierung, Robotik, Umwelttechnologie sowie Energie- und Ressourceneinsparung im Produktionsprozess.

 

S. Reifenberger: Welche Faktoren/Kriterien führen zu einem relativ hohen Kaufpreis, welche zu einem niedrigeren?

F. von Alten: Höhere Kaufpreise können mit folgenden Faktoren realisiert werden: hohes Maß an Digitalisierung, IoT, Industry 4.0, Energie-Effizienz, interessante Wachstumsperspektive, internationale Kunden ohne einseitige Abhängigkeit.

Niedrige Kaufpreise werden tendenziell für Unternehmen mit weniger als 20 Mio. Umsatz, geringem Digitalisierungsgrad der Produkte bzw. mit geringer Innovation und hoher Abhängigkeit von zyklischen Branchen gezahlt.

 

S. Reifenberger: Ist es im Moment ein guter Zeitpunkt, Maschinenbau-Unternehmen zu kaufen, oder eher um sein Unternehmen zu verkaufen?

F. von Alten: Für Unternehmen, die bisher gut durch die Pandemie gekommen sind und solide Ergebnisse schreiben, werden nach wie vor sehr gute Preise bezahlt, vor allem wenn sie aus den Wachstumssektoren kommen und innovative Produkte anbieten. Für Käufer ist der Markt aktuell interessant, wenn Ziel-Unternehmen unter der Pandemie liquiditätsmäßig gelitten haben, aber im Kern gesund sind. Die niedrigen Zinsen bieten derzeit immer noch ein gutes Marktumfeld für die Akquisitionsfinanzierung.

 

S. Reifenberger: Was für Maschinebau-Unternehmen werden im Moment besonders gesucht, welche Unternehmen sind schwer zu verkaufen? Wenn Sie gerade ein Verkaufsmandat in dieser Branche hätten: Welche Käufergruppe würden Sie bevorzugt ansprechen (Strategen oder eher Private Equity), und in welchen Regionen würden Sie Käufer suchen (Fokus auf Deutschland, europaweit, oder eine spezielle Region, z.B. Nordamerika oder Asien/Indien/China)?

F. von Alten: Meine Einschätzung zu „heißen“ Sektoren habe ich oben bereits gegeben. Strategen und Private Equity sind derzeit beide auf der Suche nach Targets. Private Equity – mit Ausnahme der Restrukturierungsfonds – sind jedoch tendenziell etwas zurückhaltender bei kapitalintensiven Produktionsunternehmen. Ihr Fokus liegt eher auf Dienstleistung, IT/Software und Healthcare. Abgesehen von innerdeutschen Transaktionen ist Amerika seit vielen Jahren das Käuferland Nummer 1 für Deutschland. Maschinenbau „Made in Germany“ wird natürlich von den führenden Wirtschaftsnationen nachgefragt. Wir sehen rein innerdeutsche Transaktionen, aber vor allem auch Interesse aus den USA, China und Japan. Es wird jedoch zukünftig zu einer Verschärfung der Prüfungen von Transaktionen in Kernbranchen (KI, Robotics etc.) durch das Bundeswirtschaftsministerium mit Käufern außerhalb der EU kommen. Der ungebremste Globalisierungstrend ist etwas abgebremst.

 

S. Reifenberger: Welchen Deal der jüngeren Vergangenheit aus dem Maschinenbausektor würden Sie als herausragend bzw. für die M&A-Tätigkeit in diesem Sektor am relevantesten bezeichnen?

F. von Alten: Sehr interessant fand ich die Ankündigung des Finanzinvestors The Carlyle Group (NASDAQ: CG) am 29.10.2020, die Flender GmbH, einen Weltmarktführer im Bereich Getriebeherstellung, von der Siemens AG für € 2 Mrd. zu erwerben.

 

S. Reifenberger: Welche weitere Entwicklung erwarten Sie für die Branche, speziell im Bereich Bewertung?

F. von Alten: Wenn sich die Auswirkungen der Pandemie im ersten Halbjahr 2021 in Grenzen halten, werden sich die Multiples stabilisieren, kurzfristig jedoch nicht generell wieder auf das Niveau vom 2. Halbjahr 2018 / 1. Halbjahr 2019 ansteigen. Für die „heißen“ Sektoren bleiben sie auf hohem Niveau.

S. Reifenberger: Vielen Dank für Ihre Ausführungen.

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